K.O. nach zwölf Runden - Stunde der Boxer

Lothar Trolle, Uraufführung

  • Regie: Sascha Bunge
  • Raum/Kostüme/Video: Constanze Fischbeck
  • Musik: Stefan Faupel
  • Licht: Walter Wiedmaier

Dramaturgie: Roland Marzinowski

  • mit: Robin Bohn, Maria Brendel, Petra Hartung,
  • Alexander Hetterle, Sven Mattke, Theresa Palfi, Timo Ben Schöfer, dem Bürgerchor Würzburg und den Boxern Tino Langbein, Frank Schneider und Stian Schüßler
  • Mainfranken Theater Würzburg, 2014

 

Die Boxer erzählen sich ihre Geschichten in einer austauschbaren Event Architektur. Messeteppich, Werbetafeln mit Sponsorenlogos und Getränkekisten. Es könnte überall sein, warum nicht auf der Vorbühne des Mainfranken Theaters Würzburg. Alle Bilder entstehen über die Sprache. Im Laufe der Aufführung weitere Ebenen, die fetischhafte Ikonisierung des männlichen Boxeroberkörpers, Natur als Gegenraum zu Trainingshallen, Sport – und Eventarchitektur, Zeitlupe.

 

"Die Wahrheit des Agon liegt im Ring (auf der Bühne), denn, so Bunge: Boxen ist Theater. Trolles collagenhaft-lyrischer Text ... ist nicht so lose organisiert, wie es zunächst scheint. Vielmehr kommt er rund um den Ring nach und nach zu Gehör: block- oder ringartig. Der Ring ist eine auf- und abfahrende Aussparung im Boden vor Fotostellwänden und Videowand, neben raumbildenden Getränkekästen bei bevorzugtem Spiel frontal ins Publikum. Auch das wiederkehrende Leichtmetall in Stefan Faupels Musik suggeriert eher subtil als mechanisch Rundenglocken, andererseits kann es loungig oder funky zugehen. ...

Trolle versammelt Namenlose und Legenden, denen er meist die Ehre gibt, das Erzählen ihnen zu überlassen: Graciano Rocchigiani und Susianna Kentikian, Arthur Abraham, dessen Kieferbruch Kampfberichten aus Vergil gegenübersteht, "dass die Knochen bersten" (Chor: "DIE KNOCHEN BERSTEN"). Auch Joe Louis betritt sprachlich die Bühne (der Mann aus Alabama) und die angeschossene Libanesin Rola El-Halabi beim Comeback. Der literarischen und Realien-Zitate sind viele, skandiert aber wird der szenische Plumpudding aus früher und moderner Literatur nebst körperlichen Spätfolgen mal von den metrischen Rosinen antiker Verse, ein andermal vom Chor.

Der legt eingangs, als die Boxevent-bekleideten Herren in Schwarz und Damen im Abendkleid ihre Blicke ins Publikum und Sektkelche abgelegt haben (später gibt es Champion-Preisgürtel und Boxerbüsten, Ausstattung und Video: Constanze Fischbeck), einen hübschen Übergang aus der Dramaturgie des Zwischenrufs zum Chorsprechen hin: "KO, KO, wat – das soll'n KO sein? Is'doch Schauspielerei, der will nicht' mehr" Schon das "hmfff" der Schläge genügt ihm, Musik daraus zu machen, bis er sich wieder verläuft.

Und immer so weiter: rhythmisch-musikalisch und rhapsodisch-persönlich, auf der Bühne und mit Stimmen im Off, mit Boxertorsi als Fotos und Schwarzweiß-Kämpfen in Video-Zeitlupe neben ästhetischen Momenten wie dem, wenn der Wald im Epos (Ovid?) und das grüne Unterholz auf Video zusammenlaufen. Wie die Kästen werden Boxer auf-, ab- und umgebaut, steigen und sinken. … " nachtkritik, Marcus Hladek

Fotos: Falk von Traubenberg